Während RKI-Chef Wieler nicht müde wird, Zahlen und einfache Mathematik zu erklären (mittlerweile sollte wirklich jeder wissen, was exponentielles Wachstum bedeutet), die Zahlen vor allem unter den unter 15jährigen rasant steigen und man sich wieder auf ein Quarantäne-Chaos vorbereiten darf, hat man das Gefühl, dass eigentlich keiner mehr weiß, worum es geht. Immerhin scheint man sich einig zu sein – es muss gegen die Coronamaßnahmen gehen.
„Es reicht!“, skandieren 2500 Menschen in München und auch in anderen Städten kommen Hunderte Menschen zusammen, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Man hat das Gefühl, dass es immer mehr Menschen werden, die laut sind, die dagegen sind, die die Kommentarspalten in Social Media beherrschen, und die keinen Anlass mehr sehen, gegen die Pandemie zu kämpfen – dafür aber gegen den Staat. Der reagiert und lockert entgegen der Warnung der Wissenschaft in allen Bereichen, denn es ist Superwahljahr und es geht um die eigene Zukunft. Politik scheint sich von den Lautesten vor sich hertreiben zu lassen.
Tragisch gelenkte Fehlwahrnehmung von Bürgermeinung
Doch ist das wirklich so? Ist die Mehrheit nicht mehr bereit, unabhängig von sinnlosen Maßnahmen den wahren Gegner zu bekämpfen – nämlich die Pandemie? Eigentlich ist man Prozentwerte immer nur dann gewohnt, wenn es um Infektionen und Schul- oder Kitaöffnungen geht. Drehen wir den Spieß mal um: 2500 Menschen in München auf der Straße – das sind 0,17% aller Bewohner in München. Wenn deutschlandweit 20000 Menschen auf der Straße waren, um für Freiheit zu kämpfen, dann sind das 0,02% der deutschen Bevölkerung. Eigentlich eher lächerlich, sollte man meinen. Und trotzdem hat man das Gefühl, die laute Masse bestimme den politischen Kurs, indem sie von kaputter Wirtschaft und drohenden Maßnahmenfolgen schwadroniert. Kolumnist Thomas Fricke schreibt beim Spiegel von tragisch-gelenkter Fehlwarnehmung von Wirtschaftslage und Bürgermeinung und einem Demokratiedesaster.
Wer steckt hinter den Demos?
Verantwortlicher der Homepage und für die Hauptorganisation der Demos „Es reicht!“ ist Björn Wegner. Man stößt sofort auf ein Interview für die Epoch Times – ein rechtes Hetzblatt, vor allem bei AfDlern und Pegidisten beliebt. Eine Verlinkung erspare ich mir und euch. Es sei gelebte Demokratie, was da passiere, man brauche auch nicht mehr zu reden, denn gesagt wäre bereits alles, so Wegner. Man wolle vor allem Lärm machen, um auf die untragbaren Zustände aufmerksam zu machen. Extremistische Positionen seien ausgeschlossen, weil man das so auf der Homepage schreibe. Zwar seien Regionalgruppen der Querdenker-Bewegung bei der Organisation dabei, eine Querdenker-Bewegung sei man aber nicht. Als Ziele werden Grundrechte, Menschenwürde, freiheitlich-demokratische Grundordnung, Verhältnismäßigkeit, Politik als Dienst an der Gesellschaft und offener Dialog genannt. Dabei steht das Statement, gewaltfrei zu agieren, Provokateure lehne man ab, man sei eine Friedensbewegung im Geiste und in den Taten.
Das Virus freut sich
Und so tanzte man gestern auf den Demos in Deutschland provokativ Polonaise, instrumentalisierte dabei die eigenen Kinder, ohne Maske und ohne Abstand, in Städten, in denen die Ausbreitung der gefährlichen britischen Mutation bereits das Ruder übernommen hat. Und nicht überall blieb es friedlich. In Dresden beispielsweise durchbrach man munter Polizeisperren, riss Polizisten zu Boden und am Ende stehen 47 Straftaten, 915 Platzverweise, 943 Anzeigen, 12 verletzte Polizisten.
Kritik ist notwendig
Man darf, ja man muss kritisch mit der Politik und der Pandemiebekämpfung umgehen. Ich tue das selbst regelmäßig. Ich reibe mich an nicht nachvollziehbaren Maßnahmen auf, werfe Entscheidungsträgern Planlosigkeit und Aktionismus vor, versuche im Mediendschungel am Ball zu bleiben, schreibe Kommentare, Pressemitteilungen oder wende mich direkt an Politiker:innen. Aber aufgrund der Fehler der Politik dann so zu tun, als gäbe es das Virus nicht, und sich wie ein trotziges Kind auf dem Marktplatz aufzuführen und all das provokativ zu tun, was Papa Staat eigentlich verbietet, ist ein schwerwiegender Fehler und gefährdet die Freiheit, das Leben, die Gesundheit und damit auch die Würde aller Menschen. Und man kann gerne betonen, kein „Querdenker“ zu sein – es ist quer gedacht, denn einzig die Pandemie ist der wahre Gegner und das Virus interessiert sich einen Dreck für Demokratie oder Freiheit.
Seid verantwortlich!
Mir persönlich ist schon ziemlich lange egal, was mir der Staat in Bezug zu Corona erlaubt oder nicht erlaubt. Denn ich will, dass die Pandemie so schnell wie möglich vorbei ist, damit ich mit meinen Kindern wieder in den Tiergarten gehen, mit meiner Fußballmanschaft wieder auf den Platz, ab und an mal wieder in den Biergarten einkehren kann. Also mache ich genau die Dinge, die dem Virus kein Futter geben. Und wenn das jeder täte – wie weit wären wir wohl schon?